April, April

| von Ulrike Reinfeldt |

Tagesordnungspunkt Nr. 21: Aprilscherz EK [Evangelisches Konsistorium] Magdeburg. Das war es, was mich neugierig machte. Was sollte denn nun auf der Sitzung des Kollegiums des Konsistoriums der Evangelischen Landeskirche Greifswald am 25.02.1977 behandelt werden? Im Protokoll ist es kurz und bündig festgehalten. Die Mitglieder des Kollegiums haben über die „Anregung des EK Magdeburg auf einen Hausarbeitstag für alleinstehende Männer ab Vollendung des 40. Lebensjahres“ abzustimmen.

TOP 21

Ja, ich gebe es zu, ich hielt es tatsächlich anfangs für einen Scherz. Ich kannte den Haushaltstag - anderer Ausdruck für den Hausarbeitstag - aus DDR-Zeiten und fand ihn eine tolle Erfindung für Frauen. Jetzt habe ich ein bisschen recherchiert und siehe da, er ist keine Erfindung der DDR. Die Historikerin Carola Sachse, Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Wien, hat dazu geforscht.   

„Der Ursprung des Haushaltstages geht zurück auf eine Zeit, in der an ein modernes Arbeits- und Familienrecht, wie es heute Gültigkeit hat, noch längst nicht zu denken war. Bereits die Arbeitszeitordnung von 1891 erlaubte den vorzeitigen Arbeitszeitschluss für Frauen vor Sonn- und Feiertagen. Eine Würdigung der tatsächlichen Belastung der berufstätigen Frauen, die, entsprechend des damaligen Rollenbildes, meist auch Hausfrau und Mutter waren.

Erbe des Nationalsozialismus

An diese Sonderregelung knüpften die Nazis an, wie Carola Sachse erforschte. 1939 gab es erste Überlegungen für einen monatlichen Hausarbeitstag, der als Vergünstigung von der Gewerbeaufsicht oder von den Unternehmen selbst gewährt werden konnte. Die Initiative erlangte jedoch erst 1943 Gesetzeskraft, mit der "Anordnung über Arbeitszeitverkürzung für Frauen, Schwerbeschädigte und minderleistungsfähige Personen" vom 22. Oktober des Jahres.

"Der Hintergrund dafür war nicht unbedingt, den Frauen eine Wohltat erweisen zu wollen, sondern es (der Hausarbeitstag) war eigentlich eine Disziplinarmaßnahme."

Carola Sachse, Professorin für Zeitgeschichte an der Universität Wien

Es war also nicht Fürsorge, die die Verantwortlichen leitete: Vielmehr war es eine Reaktion auf die Belastungen, denen die Frauen ab 1943 in den Betrieben ausgesetzt waren, schließlich kämpften die meisten Männer an der Front. Entziehen konnten sie sich der Schufterei in den Betrieben kaum, wurde doch "Arbeitsbummelei" in dem von den Nazis ausgerufenen "Totalen Krieg" schwer bestraft. Abgesehen davon war der noch unbezahlte monatliche Hausarbeitstag nur deutschen Frauen mit einem eigenen Hausstand vorbehalten, die Kinder unter 14 Jahren zu versorgen hatten.

Haushaltstag wird Nachkriegsmodell

Bereits kurz nach dem Kriegsende brachten mehrheitlich die Kommunisten in den neu gebildeten Landtagen Gesetzesentwürfe zur Einführung eines monatlichen, bezahlten Hausarbeitstages ein. Die Initiative wurde mit großer Begeisterung aufgenommen und zumindest von den britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden bestätigt. Ausgerechnet in der Sowjetischen Besatzungszone schien diese Idee nicht gut anzukommen. Die Sowjetische Militäradministration spielte nicht mit und blockierte die Gesetzesinitiativen der eigenen Genossen, stellte Sachse fest.

Erst drei Jahre nach Gründung der DDR im Jahr 1952 wurde der Haushaltstag auch im Osten eingeführt. In der Bundesrepublik gab es unterschiedliche Regelungen auf Landesebene. In Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurde ein gesetzlicher Anspruch auf 12 bezahlte Hausarbeitstage im Jahr eingeräumt. Zu einer bundeseinheitlichen Regelung kam es nie.

Haushaltstag auch für den Mann?

Und schnell wurde die Sonderregelung in Ost und West zum Politikum. Während man sich in der DDR mit einem permanenten Fachkräftemangel konfrontiert sah und demzufolge nur ungern auf Personal verzichten wollte, ging es in der Bundesrepublik eher um die Frage einer etwaigen Benachteiligung des Mannes, wie Carola Sachse erklärt. Tausende Gerichtsverfahren im Westen und unzählige Petitionen im Osten waren die Folge. Im Jahr 1979 wurde der Haushaltstag in der Bundesrepublik durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. In der DDR ging man einen anderen Weg: Bereits ab 1965 wurde der Haushaltstag auch unverheirateten Frauen mit Kindern unter 18 Jahren zugestanden. Ab 1970 konnten ihn alle vollbeschäftigten Frauen und alleinstehenden Männer in Anspruch nehmen.

Mit der Wende und dem neuen, bundeseinheitlichen Arbeitszeitgesetz wurde der Haushaltstag gänzlich abgeschafft. Im Dezember 1991 war Schluss mit der "Auszeit" einmal im Monat.“ Quelle: https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/familie/geschichte-des-haushaltstags-100.html

 

Wie hat sich das Greifswalder Kollegium    entschieden? Es hat den Hausarbeitstag für den alleinstehenden Mann abgelehnt. Leider ist das Protokoll zu diesem Tagesordnungspunkt sehr kurz gehalten. Es hätte mich schon interessiert, wie die Diskussion darüber ablief. Gab es vielleicht auch Bedauern der Ablehnung wegen?

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