Liebesgedichte eines Bischofs
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|Es gibt Bestände in unserem Archiv, da würde man nie auf die Idee kommen, dass sich darin Liebesgedichte verstecken. Vielleicht schon am ehesten in einem Nachlass, aber ausgerechnet in dem eines Bischofs?
Und doch ist es so. Im Nachlass des pommerschen Bischofs Karl von Scheven gibt es ein kleines unscheinbares Heft mit dem Titel "Dichterblüten, Aussprüche, Lebensregeln"
Erst beim zweiten, genaueren Hinsehen sind sie mir aufgefallen - seine eigenen Gedichte. 1899 - im zarten Alter von 17 Jahren - begann Karl seine Sammlung von Zitaten. Zu dieser Zeit war er noch Schüler, seine Reifeprüfung legte er 1901 am Humanistischen Gymnasium in Pyritz ab.
Hineingeboren in eine pommersche Pastorenfamilie führte ihn sein Weg ebenfalls zur Theologie. Im Jahr 1906, zwischen seinem ersten und seinem zweiten theologischen Examen, sind diese beiden Gedichte entstanden. Vielleicht gelten sie seiner späteren Frau, Katharina Kühl. Die beiden heirateten im September 1908. Aber lest selbst:
Vor der Ruh.
Heute Abend vor der Ruh |
Mag ich nicht mehr denken, |
Drücke meine Augen zu, |
Will mich still versenken. |
Laßt mich Sorgen ganz allein |
Weicht ihr Tagesplagen; |
In der Liebe Sonnenschein |
Möcht mein Herz sich laben. |
Froh des Glückes mir bewußt, |
Fühl ich helle Freude |
[…]iglich durchziehn die Brust |
Frei von allem Leide. |
Betend fleh ich: Herr mein Gott, |
Laß es nie sich wenden, |
Mich und meine Liebe Braut |
Führ mit Vaterhänden. |
21. Sept. 06 K. v. S.
Sehnsucht!
Wohin ich geh, |
Wohin ich seh, |
dein holdes Bild |
leuchtet so mild, |
dein froher Mund |
tut leise kund |
dein’s Herzens Schrein, |
dein innerstes Sein. |
Ich wollt ihn küssen-, |
ich muss dich missen, |
Ich geh und seh |
Fern bleibst du - weh! |
16.XI.06 K. v. S.
Fotos aus: Landeskirchliches Archiv der Nordkirche, Nachlass Scheven, Karl von, Nr. 295 und 312.
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